„Das war knapp“, rufen sich die beiden Frauen in der Mitte des Raumes zu. Schauspielerin Aliki hat ihrer Partnerin gerade den Ball zugeworfen. Allerdings bestand dieser Ball nur in der Fantasie. Wir sind mitten im Sommertheaterprojekt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Und der große Raum mit Tafel, Tischen und Stühlen wurde in dieser Woche zum „Theater“.
Bereits zum zweiten Mal war die 29-jährige Schauspielerin und Theaterpädagogin aus Mannheim, die sonst im Kinder- und Jugendtheater Speyer oder in einer Fernsehserie als Kommissarin auftritt, im St. Annastift. Eine Woche immer am Vormittag ging es für die elf teilnehmenden Patientinnen und Patienten zwischen acht und 18 Jahren darum, ins Spielen zu kommen, sich auszuprobieren und in andere Rollen zu schlüpfen. „Und wenn sie sich nur drei Minuten auf etwas Anderes konzentrieren und mit Freude dabei sind, dann haben wir unser Ziel erreicht“, betont die Schauspielerin. Gemeinsam mit den Ergotherapeutinnen Linda und Zeynep betreut sie die Gruppe und unterstützt die Teilnehmenden dabei, neue Ressourcen und mehr Selbstbewusstsein bei sich zu entdecken.
Und das gelingt, manchmal mit ganz einfachen Mitteln. „Egal wie schwer es sein kann vor anderen, die man nicht kennt, etwas zu machen, durch die Gruppe und die Übungen fasst man Vertrauen“, beschreibt es eine der Teilnehmenden, die schon ganz gespannt darauf wartet, dass es weitergeht.
Auf dem Spielplan an diesem Tag stehen verschiedene Spiele und Übungen aus dem Schauspieltraining und dem Improvisationstheater, die hauptsächlich darauf abzielen, Spontanität und Intuition zu trainieren, die Entscheidungen nicht zu überdenken und dabei in eine Spielfreude zu kommen, beschreibt Aliki. Das Programm ist dabei durch die Schauspielerin sehr fein auf die jeweilige Gruppe angepasst. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, mitzugestalten, sich selbst Spiele zu wünschen, zu entscheiden, ob sie lieber an festen Szenen arbeiten, oder weiter mit Improtheater-Elementen. Entsprechend wurde an zwei Vormittagen zusätzlich an Szenenausschnitten aus bestehenden Theaterstücken (u.a. Dürrenmatts "Die Physiker") gearbeitet und die Ergebnisse der gesamten Gruppe vorgestellt.
Ein Kernaspekt des Konzeptes sei, dass sich die Jugendlichen in geschütztem und unbeobachtetem Rahmen spielerisch ausprobieren können, ist beim Ortstermin zu erfahren. Ohne Druck, was "leisten" oder ein Therapieziel erfüllen zu müssen und ohne dabei bewertet oder "analysiert" zu werden. Entsprechend steht es der Gruppe frei, zum Ende der Woche zu entscheiden, ob es etwas gibt, was sie gerne zeigen möchten, oder ob sie unter sich bleiben wollen. Im Fokus stehen die individuellen Erfahrungen und kein vorzeigbares Endergebnis.
Und dann wird die weiße Wand im Raum auf einmal in den Gedanken blau, denn ein Teil der Gruppe steht davor und freut sich mit enthusiastischen Ausrufen über die wunderschöne Farbe und wie gut diese in den Raum passt. Und auch das Spiel mit dem Ball wird noch richtig anspruchsvoll.