Adipositas und die daraus resultierenden körperlichen Folgen und psychosozialen Belastungen nehmen in den letzten 20 Jahren insbesondere in den westlichen Industrieländern deutlich zu. Adipositas entwickelt und manifestiert sich dabei bereits im Kindesalter: Eine Adipositas haben nach den aktuellen Zahlen des Kinder- und Jugendsurveys des Robert-Koch-Instituts 2,9 % der Drei- bis Sechsjährigen, 6,4 % der Sieben- bis Zehnjährigen und 8,5 % der 14- bis 17-Jährigen.
„Es handelt sich bei Adipositas nicht nur um ein „Gewichtsproblem“, sondern um eine bereits im Kindes- und Jugendalter auftretende ernstzunehmende Gesundheitsstörung“, erklärt Privatdozent Dr. med. Ulrich Merz, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhauses den Ernst der Lage. Auch in der Region nimmt die Zahl der von hohem Übergewicht betroffenen Kinder und Jugendlichen ständig zu. Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhauses bietet deshalb neben der bereits seit vielen Jahren angebotenen stationären Therapie zusätzlich eine tagesklinische Therapie für adipöse Kinder und Jugendliche an. Betreut werden die Patienten vom multidisziplinären Team der psychosomatischen Kinderstation Lukas. Eine Diplom-Psychologin, eine Kinderkrankenschwester, eine Ernährungstherapeutin, eine Oberärztin und eine Sportwissenschaftlerin arbeiten mit dem Ziel zusammen, durch Förderung der Eigenmotivation der Kinder und Jugendlichen und Steigerung ihrer Kompetenzen dauerhaft eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Für die Aufnahme ist eine Einweisung durch den behandelnden niedergelassenen Kinderarzt oder Hausarzt notwendig, die erste Gruppe startet im Januar.
Das neue Konzept „Pfundskerle“ wird am Samstag 17. November (10-13 Uhr) im Rahmen des Aktionstages „Leichter leben – Gemeinsam die Pfunde purzeln lassen“ mit vielen Informationen und Spaß öffentlich vorgestellt. Die Veranstaltung im St. Annastiftskrankenhaus wendet sich an Betroffene, Eltern und Interessierte und ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Bereits am Mittwoch, den 14. November (16-18.30 Uhr) findet eine Veranstaltung zum Thema für Fachleute statt, da für die nachhaltige Behandlung auch die Vernetzung sehr wichtig ist, weisen die Verantwortlichen hin.
Gesundheitliche und andere Probleme
Betroffene kämpfen nicht nur mit gesundheitlichen Problemen: Kinder und Jugendliche mit Adipositas schränken ihren Lebensradius ein und haben häufig emotionale Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen. Und auch die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken sind groß, zum Beispiel steigt das Risiko an einem Diabetes Typ II zu erkranken. Adipositas hat sich im Gesundheitswesen zu einem Kernproblem entwickelt. Die Welt-Gesundheitsorganisation WHO bezeichnet Adipositas sogar als das größte chronische Gesundheitsproblem. Als Folge von Übergewicht und Adipositas kann es zu einer Reihe von Erkrankungen und Nebenerkrankungen (Komorbiditäten) kommen, die nicht nur für die Erwachsenen ein hohes Risiko darstellen. Bereits bei Kindern und Jugendlichen können Übergewicht und Adipositas zu kardiovaskulären, orthopädischen und psychischen Erkrankungen führen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die zu viele Kilos mit sich herumtragen, nimmt nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) seit Beginn der 1980er Jahre zu. Das ist nicht nur bei uns so. Weltweit gibt es immer mehr dicke Kinder und Jugendliche. In Deutschland sind 15 Prozent aller drei- bis 17-Jährigen übergewichtig, jeder zweite bis dritte davon sogar stark übergewichtig. Als Gründe nennen Experten neben der Veranlagung vor allem weniger Bewegung, ungünstiges Essverhalten und kritische Wachstumsphasen. Wenn Kinder in die Schule kommen, ändert sich zum Beispiel viel: Sie bewegen sich weniger. Die Anforderungen steigen und der Stress nimmt zu. Das kann dazu führen, dass sich die Kilos ansammeln. Auch in der Pubertät kann alles aus dem Gleichgewicht geraten. Wenn das Essen zum Tröster wird, kann das Gewicht steigen. Hinzu kommt, dass die Lebensmittel, die bei Jugendlichen angesagt sind, häufig zu viel Fett und Kalorien enthalten.
Nachhaltige Behandlungserfolge nur im Team
Die erfolgreiche Behandlung von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen setzt eine umfassende Aufklärung der Kinder und ihrer Bezugspersonen und frühe, interdisziplinär orientierte Betreuung voraus. Für die Behandlung haben sich verhaltenstherapeutisch orientierte multimodale Programme, die sowohl die Tagesstrukturierung, Ernährungsumstellung, Selbstkontrolle und Selbstbestätigung sowie körperliche Betätigung und Aktivierung in den Blick nehmen, besonders bewährt. Der Transfer in den persönlichen Alltag unter Einbeziehung der Eltern und Bezugspersonen ist besonders wichtig.
„Kinder und Jugendliche sind auch besonders auf die Unterstützung und Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Die Einbeziehung der Eltern findet deshalb bei unserem Konzept in vier thematischen Einheiten über jeweils zwei Stunden statt“, erklärt die für das neue Angebot im St. Annastiftskrankenhaus zuständige Diplom-Psychologin Dr. Susanne Bredel. Die Teilnahme ist für die Eltern verpflichtend und Bedingung für die Behandlung der Patienten. Zu Beginn und am Ende der der Behandlung finden Einzelgespräche statt, bei Bedarf häufiger.
Neue Tagesklinische Behandlung in Ludwigshafen
Tagesklinisch behandelt werden im St. Annastiftskrankenhaus Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts mit einem BMI größer als 97 im Alter von zehn bis 16 Jahren. Die Gruppengröße für eine tagesklinische Behandlung beträgt sechs bis acht Patienten in einer geschlossenen Gruppe – über einen Zeitraum von 12 Wochen einmal wöchentlich für vier Stunden (mittwochs von 14.30 bis 8.30 Uhr). Das im St. Annastiftskrankenhaus nun neu angebotene Programm ermöglicht den Betroffenen also eine Behandlung und Begleitung, ohne den Schul- und Familienalltag zu unterbrechen. Das übergeordnete Ziel des neuen tagesklinischen Angebotes ist es, adipöse Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, selbständig und eigenverantwortlich mit der Symptomatik umzugehen. Um dies zu erreichen, werden ihnen und begleitend auch ihren Eltern unter anderem Fertigkeiten zum Selbstmanagement vermittelt. Darüber hinaus geht es um Eigen- und Fremdwahrnehmung, das Erlernen von neuen Essgewohnheiten inklusive Kochkurs in der Gruppe und Motivation durch Bewegung.
Anmeldung und Terminvereinbarung
Spezialambulanz des St. Annastiftskrankenhauses
Tel.: 0621-5702-4241.
Veranstaltung für Betroffene, Eltern und Interessierte
Leichter leben – Gemeinsam die Pfunde purzeln lassen
Samstag, 17. November 2012, 10.00-13.00 Uhr
St. Annastiftskrankenhaus
Karolina-Burger-Straße 51
67065 Ludwigshafen-Mundenheim
Die Veranstaltung ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Veranstaltung für Fachleute
Adipositasbehandlung bei Kindern und Jugendlichen – Eine Herausforderung? Mittwoch, 14. November 2012, 16.00-18.30 Uhr
St. Annastiftskrankenhaus
Karolina-Burger-Straße 51
67065 Ludwigshafen-Mundenheim